Wissenswertes

Bei Agroforstsystemen profitieren im Idealfall beide Nutzungspartner von den vielfältigen Wechselbeziehungen dieser Gemeinschaft. Jede Kombinationsform von Bäumen mit einer Unterkultur in Form von Acker-, Spezialkulturen oder Grünland wird als „Agroforst“ bezeichnet, obwohl es dabei gar nicht um eine forstliche Nutzung des Baumes, im Sinne einer Wertholzproduktion, gehen muss. Die Agroforstsysteme in Kombination mit Tierhaltung werden «sylvopastoral» genannt. Agroforstsysteme in Kombination mit Feldkulturen werden «sylvoarabel» genannt.

Die Geschichte der Agroforstsysteme ist eng verknüpft mit der Geschichte des Landschaftsobstbaus und der Geschichte des bäuerlich/dörflichen Lebens selber. Die mittelalterliche Dorfgemarkung war eingebettet in einen Gürtel aus Obstbäumen, welche auf den Weideflächen und neben den Hausgärten standen. An diesen Obstgürtel schlossen sich die Ackerflächen an, die meist in einer Doppelnutzung (Obstbäume und als Unterkultur Getreide und Hackfrüchte) als sogenannte Baumäcker in Kultur genommen wurden.

Das heisst, die Obstbaumreihen standen entweder einreihig oder zweireihig im gepflügten Land. In dieser engen Korrespondenz profitierten die Partner voneinander: die Düngung der Ackerkulturen wirkte sich günstig auf das Wachstum der Obstbäume aus und die herabfallenden Blätter der Obstbäume haben den Humusgehalt der Ackerflächen erhöht.

An die Baumäcker schlossen sich die Allmendflächen an, danach kam der Wald und die offene Dorfgemarkung schloss sich wieder. Über das Wegenetz, welches zunehmen die Dörfer miteinander verband, entwickelte sich der Strassen- und Alleenobstbau. Die Bäume wurden sowohl zur Frucht- als auch zum Möbelbau verwendet. Über den Alleenobstbau verbreiteten sich auch die Obstsorten, denn man tauschte untereinander Edelreiser aus. An den Feldwegen nach aussen in die Flur standen als Markierungs- und Orientierungspunkte immer grosse Birnen- oder Nussbäume.

Insgesamt gliederte sich der landwirtschaftliche Betrieb in Viehzucht, Ackerbau, Gemüsebau und Obstbau. Die Pflege war in einer Hand. In diesen landwirtschaftlichen Organismus war der Obstbau eingebettet und gestaltete die Landschaft. Obstbaum und Mensch standen in einem partnerschaftlichen Verhältnis.

Quelle: J. Weimer, Vom Wildapfel zum Kulturapfel, 2010

Wer kennt sie nicht, die Obstgartenlandschaft mit weidenden Rindern oder Schafen – in der Schweiz ein traditionelles Landnutzungssystem, welches in den letzten Jahren auch durch neue Fördermöglichkeiten wieder an Bedeutung gewinnt. Werden Baumarten mit Wies- oder Weideland kombiniert, spricht man von silvopastoralen Agroforstsystemen. Auch in anderen Teilen Europas gibt es traditionelle silvopastorale Agroforstsysteme, welche im Rahmen neuer Projekte wieder besonders gefördert werden, denken wir an die Korkeichlandschaften in Spanien und Portugal, wo über die Eichelmast von Schweinen der Iberica-Schinken produziert wird.
Grundsätzlich ergänzen sich Bäume und Weidetiere sehr gut: die Bäume spenden Schatten und Schutz vor Wind und Wetter und die Weidetiere halten die Grasnarbe kurz und verwerten den Grünaufwuchs.
Diese Partnerschaft hat allerdings auch ihre Schat-tenseiten: Durch die Beweidung kann es zu Bodenverdichtungen im Wurzelbereich der Bäume kom-men, zudem ist ein stabiler Baumschutz unerläss-lich. Das Beweidungsmanagement muss gut geplant sein (kurze Weidephasen mit hohem Tierbesatz und langen Pausen zwischen den Weidegängen). Während der Obsternte darf der Obstgarten aus hygieni-schen Gründen nicht beweidet sein.
Besonders gut geschützter junger Obstbaum, ein-zeln verdrahtet. Hierzu muss allerdings das Kabel im Boden von Baum zu Baum verlegt werden.

Der gemeinsame Anbau von Baumarten mit verschiedenen Ackerkulturen oder Spezialkulturen wird als silvo-arables Agroforstsystem bezeichnet. Während Baumstrukturen in früheren Zeiten im Ackerbau in Form der Obstäcker verbreitet und üblich waren, sind Baumkulturen auf Ackerflächen heutzutage ein eher seltenes Bild. Die «Wiege» der modernen silvoarablen Agroforstsysteme liegt in Frankreich, wo bereits vor 30 Jahren zu Versuchszwecken solche Parzellen angelegt wurden. Schnell stellte man einen positiven Effekt auf die Nitratverlagerung fest, so dass sich diese Systeme zunächst in Wasserschutzgebieten etablierten und von da aus weiter ausgebreitet haben.

Bei diesen Systemen sind die Reihenabstände so zu gestalten, dass eine mechanisierte Bearbeitung der Ackerkulturen und die Ernte von Fruchtbäumen möglichst uneingeschränkt ablaufen können.

Nähere Informationen zu diesem Anbausystem erhalten Sie unter Informationen für die Praxis.

Vor einigen Jahren begannen Landwirte damit, auf erosionsanfälligen Ackerflächen Obstbaumreihen anzulegen und schufen damit die ersten „modernen“ Agroforstsysteme in der Schweiz ‐ das dachte man zumindest. Tatsächlich ist diese Art der Landnutzung auch in Teilen der Schweiz schon früher stark verbreitet gewesen.

Schauen wir in den Kanton Thurgau: viele der Obstwiesen, die dort die Landschaft prägen, sind ehemals mit Hochstamm-Obstbäumen bepflanzte Hochäcker und Ackerterassen. Die Hochäcker haben als Relikt der kleinen Eiszeit bis heute an vielen Stellen ihr Relief erhalten. Durch die Erfindung des Beetpfluges entstanden gewölbte Ackerfluren, die sich im Frühjahr schneller erwärmen und besser abtrocknen konnten. Ausserdem diente die Form der natürlichen Drainage des Ackerlandes. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Klima milder und damit günstiger für den Obstbau. In der Folge wur-den die Hochäcker des Thurgaus und die Ackerterassen mit Obstbäumen bepflanzt. Diese standen in ein oder zwei Reihen auf dem Scheitelpunkt des Feldes. Damit wird der hohe Stellenwert des Obstbaus deutlich, den dieser für die Bauernfamilien hatte – das Obst war für die Versorgung der Familie ebenso wichtig, wie der Anbau von Getreide und Hackfrüchten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gaben viele Bauern den Ackerbau auf und wandelten Ackerland in Grünland um. Die billigeren Getreideimporte, die dank Eisenbahnen und Dampfschiffen möglich wurden, machten den Ackerbau unrentabel. Dafür nahm die Milchwirtschaft im Thurgau einen Aufschwung, inklusive die Käseproduktion (Trächsel, 1962).

Die Hochäcker wurden nicht mehr ackerbaulich genutzt sondern futterbaulich. Durch diese Umnut-zung wurde das Relief konserviert und ist an vielen Stellen bis heute sichtbar. Häufig wurde aber auch der Wendepflug eingesetzt, so dass man die typische Struktur der Hochäcker heute nicht mehr sieht. Ungeachtet der futterbaulichen Nutzung blieben die Obstbäume erhalten und prägen heute noch die typische Hochstammobstlandschaft im Thurgau. An die einstige ackerbauliche Nutzung unter den Obst-gärten kann sich heute kaum noch jemand erinnern.